Als derzeit an einer Hochschule lehrende Person darf ich sagen, dass ein bisschen was Wahres daran ist, wenn sie sagen: Those who can’t do, teach. Und als Teil eines ???-Folgen-Besprechungs-Podcasts darf ich hinzufügen: Und wenn es sogar dazu nicht gereicht hat, geht zum guten Glück heutzutage immer noch Video-Essayist (immerhin eine Stufe in der Nahrungskette über Podcaster oder der Person, die Witze auf Twitter macht für die Inster-Stories deiner Normie-Friends).
Und damit kommen wir zu einem besonders adretten Exemplar dieser Gattung und für diejenigen, die angesichts des Titels noch weitergelesen haben und also wohl nicht wissen, worum es geht, sei kurz erklärt: Ein nicht mehr ganz junger weißer Mann namens Wolfgang M. Schnitt betreibt den YouTube-Kanal „Filmanalyse“, auf dem er mit gewagten Fashion-Choices nach Eigenauskunft ideologiekritische Analysen aktueller Filme und solcher des klassischen Kanons betreibt aka in der von YouTube für seine Anzeigenkund*innen ermittelten Ideallänge von 20-30 Minuten selbstbewusst mensplaint. Besonders lobend hervorstreichen möchte ich an dieser Stelle auch das sorgfältig auf All-Over-The-Place kuratierte Set-Design aus Kindler’s Literaturlexikon und blauen MEW-Bänden zu der grünen Ally-McBeal-Bibliothekslampe und dem Whiskey-Tumbler, den deine Mitschüler gut fänden, deretwegen du doch irgendwie froh warst, dass die Schule irgendwann vorbei war. False Advertising lässt sich WMS nicht vorwerfen, denn exakt so sind seine brav abgelesenen Referate dann auch.
Und was soll ich sagen: Der Appeal davon, dass eine liebe Bestager-Maus davon erzählt, welche Filme sie sich gerade angeschaut hat und dabei manchmal Mark Fisher und Adorno sagt, ist gerade in seiner Quatschigkeit nicht von der Hand zu weisen. Generell ist ja links oder intellektuell Sein coszuplayen, in Wahrheit aber handelsüblich uninteressiert an einem Verein freier Menschen zu sein, ein gängiges Geschäftsmodell um sich irgendwie durchwursteln in diesen 20er Jahren des 2. Jahrtausends unserer Zeitrechnung und dazu kann ich auch nur sagen: No Judgement von meiner Seite! Wie maus die (so oder so) letzten Tage des Phallogo-Pyrozäns verbringt steht mir nicht zu zu beurteilen. Was ich noch kann, ist lediglich, mich darüber zu wundern, wie manche es aushalten.
Bevor also Missverständnisse aufkommen möchte ich in aller Klarheit und Deutlichkeit sagen: Nichts gegen YouTuber, Wolfgang M. Schmitt oder irgendwen oder -was sonst, WMS zu haten ist ja sowieso eine Meinung, die so gängig und billig ist, dass er sie auch selbst haben könnte. Und dass wir in der Abrate-Community es natürlich nur begrüßen, wenn andere auf unseren Zug aufspringen und von Dingen abraten, die ihnen unbekannt sind, versteht sich hoffentlich von selbst. Darum geht es hier also nicht im Geringsten!
Das klitzekleine Problem, das ich mit WMS’ Videos im Allgemeinen und diesem Speziellen habe, ist aber, dass ihm eine winzige Verwechslung unterlaufen ist: Wer ein Video mit dem Titel „Warum ich mir ARIELLE nicht angesehen habe“ veröffentlicht, verwechselt eines der zwei relevanten Kinoereignisse des Jahres 2023 mit einer Gelegenheit für ein sehr ernst gemeintes Witzchen, verwechselt Es-Wissen mit Erkenntnis, Denen-ihr-Spiel-Spielen mit Kritik, Analyse mit Cuteness. Alles lässliche Sünden, ich weiß, doch wo der Spaß leider aufhört, ist folgendes: Mir will scheinen, er verwechselt des Weiteren das, was er macht, mit der einzig adäquaten Umgangsform mit Kunst: fangirlen.Und dazu schließlich kann ich nur sagen: Schön, dass es das auch gibt, das Universum wird sich schon etwas dabei gedacht habe. Aber so etwas ansehen? Moi? Wir raten ab, damit wir nicht länger sehen, sondern schauen.